Offene soziale Netzwerke finden eine Heimat in der Europäischen Infrastruktur für digitale Gemeingüter

PolitikerInnen haben es schwer. In dem Wirrwarr aus künstlicher Intelligenz, Cloud Computing, Virtual Reality, dem globalen Markt und dem Tsunami von Desinformation müssen sie Prioritäten setzen. Da ist es nicht leicht, für das kleine, aber feine Fediverse einen Fuß in die Tür zu bekommen. Jetzt haben gemeinwohlorientierte, dezentrale Netzwerke erstmals ein Zuhause in der EU-Großprojekteliga gefunden: im Digital Commons EDIC.

Ein „European Digital Infrastructure Consortium“ (EDIC) ist ein EU-Instrument, das es den Mitgliedstaaten ermöglicht, grenzüberschreitende digitale Infrastrukturen gemeinsam zu entwickeln, einzurichten und zu betreiben, mit einer eigenen Governance und Rechtspersönlichkeit. EDICs gibt es bereits für Sprachtechnologien und digitale Zwillinge europäischer Städte. Nun haben sich Frankreich, Deutschland, die Niederlande und Italien zusammengetan, um erstmals digitale Gemeingüter prominent zu fördern. Die Initiative soll ein europäisches Modell für Kooperation und Investition schaffen, um die digitale Allmende wettbewerbsfähig zu machen und dank ihrer die digitale Souveränität Europas zu stärken.

Am 29. Oktober 2025 nun hat die Europäische Kommission die Gründung des „Digital Commons European Digital Infrastructure Consortium“ (EDIC) genehmigt.[1] Deutschland ist vertreten durch das Digital-Ministerium, das vom Zentrum Digitale Souveränität (ZenDis) und der Sovereign Tech Agency unterstützt wird.

Auch das DC-EDIC wird sich mit Schlüsselbereichen wie künstliche Intelligenz, Cloud Computing, Cybersicherheit und Geomatik befassen. Allerdings sollen hier jeweils offene Alternativen gefunden und gefördert werden – insbesondere auch bei sozialen Netzwerken.

In der Pressemitteilung des Digitalministeriums wird die „Stärkung des europäischen Ökosystems durch Mobilisierung technischer, akademischer, öffentlicher und privater Gemeinschaften“ angekündigt. Dabei ist unklar, ob „öffentliche und private Gemeinschaften“ die Zivilgesellschaft einschließt. Täte es das nicht, wäre das Konsortium eine Totgeburt. Es war die Zivilgesellschaft, die die digitale Allmende gegen Profitinteressen entwickelt und geschützt hat. Es wäre ein No-Go, bekäme sie nicht eine maßgebliche Rolle. Zu begrüßen ist auf jeden Fall die Schaffung eines nachhaltigen Finanzierungsmechanismus’ zur Pflege und zur Förderung der breiten Akzeptanz digitaler Gemeingüter.

Angekündigt ist ferner ein Digital Commons Forum, das Akteure aus dem öffentlichen, privaten und akademischen Bereich zusammenzubringen soll.[2] Auch hier muss die Zivilgesellschaft mit am Tisch sitzen und ihren Beitrag zur Stärkung von offenen Netzwerken und demokratischen Öffentlichkeiten leisten.

Die offizielle Auftaktveranstaltung des Digital Commons EDIC soll am 11. Dezember in Den Haag stattfinden. Den Sitz wird es in Paris haben. Neben den Gründungsmitgliedstaaten nehmen Luxemburg, Slowenien und Polen als Beobachter teil. Weitere EU-Mitgliedstaaten haben ihr Interesse an einer Beteiligung angemeldet. Der erste Bericht zum Stand der digitalen Gemeingüter ist für 2027 geplant und soll politischen Entscheidungsträgern und der Industrie eine jährliche Bewertung der Fortschritte liefern. Zu hoffen bleibt, dass sich diese Berichte auch an zivilgesellschaftliche Entscheidungsträger richten.


[1]Pressemitteilung BMDS, 29.10.2025, https://bmds.bund.de/aktuelles/pressemitteilungen/detail/digitale-staerke-zurueckgewinnen.

[2]EU moves to bolster digital sovereignty with new Digital Commons consortium, 01.11.2025, https://cadeproject.org/updates/eu-moves-to-bolster-digital-sovereignty-with-new-digital-commons-consortium/.


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